11.10.2013

Frankfurter Allgemeine

"Herr Ress, Sie werden am Sonntag zum ersten Mal Weintrauben lesen, die auf Sylt angebaut werden. Wie kommt man denn auf so eine Idee?
Entstanden ist das tatsächlich aus einer Schnapsidee heraus, einer Riesling-Idee, muss man in diesem Fall wohl besser sagen. Wir saßen in einer gemütlichen Runde bei einem Glas Wein, den wir für unseren Händler auf Sylt abgefüllt hatten.
Und da sagte mein Vater, es wäre doch witzig, wenn dieser Wein irgendwann auf Sylt wachsen würde. Das war unbedacht dahergesagt, aber wir haben das als interessanten Geistesblitz aufgenommen und uns gesagt: Warum nicht?


Wäre Ihr Vorhaben vor ein paar Jahren auch möglich gewesen? Oder sind Sie Profiteur des Klimawandels?
Vor fünfzig Jahren wäre es nicht möglich gewesen. Der Klimawandel ist da, das sehen wir im Weinbau ganz eindeutig. Im Rheingau wurde über Jahrhunderte protokolliert, wann etwa die erste Knospe aufgeht und wann die Reifung beginnt. Das geschieht alles immer
früher. Der Klimawandel hilft dem Weinbau in Deutschland, das steht außer Frage.


Wie fallen denn die Reaktionen aus, wenn man Winzer-Kollegen von der Idee erzählt, auf 55 Grad nördlicher Breite Wein anbauen zu wollen?
Das hat natürlich Aufsehen erregt. Viele sagen, es sei ein Marketing-Gag. Ich entgegne dann immer, dass ein Gag, den man für mindestens 35 Jahre anlegt und in den man sehr viel Geld steckt, kein Gag ist. Uns hat die weinbauliche Herausforderung gereizt.


Gab es neben dem Klima denn weitere Herausforderungen?
Auf Sylt hat man immer das Risiko, dass der starke Wind Triebe abbricht. Deswegen haben wir uns ein Grundstück ausgesucht, das kein Weinberg im eigentlichen Sinn ist, sogar ein bisschen in einer Senke liegt. Was wir überhaupt nicht auf dem Schirm hatten, das sind die Fasane. Die haben uns letztes Jahr, als es auch schon ein paar Trauben gab, fast alles weggefressen. Dieses Jahr haben wir Netze aufgespannt. Der größte Schädling auf Sylt ist aber auf zwei Beinen unterwegs, nämlich der Tourist. Wir freuen uns natürlich über Besuch. Aber der Weinberg ist mittlerweile eine echte Touristenattraktion, und viele probieren natürlich ein paar Trauben. Deswegen haben wir jetzt einen Zaun aufgestellt und die Anlage abgeschlossen. Aber die entscheidende Herausforderung
bleibt natürlich das Klima.

 

Auf Sylt ist es im Schnitt eineinhalb Grad kälter als bei Ihnen im Rheingau.Auch wenn auf Sylt öfter die Sonne scheint - die Natur auf der Insel ist einfach um mehrere Wochen im Rückstand. Deshalb kam auch nur eine frühreife Rehsorte in Frage, die das wieder kompensiert. Wir haben uns für Solaris entschieden.

 

Dabei soll es sich nicht um die charakterstärkste Rebsorte handeln.
Das ist richtig. Wir brauchen das nicht mit Riesling zu vergleichen, der Königin unter den weißen Sorten. Aber Solaris ist nun mal die beste Sorte für diese klimatischen Bedingungen.


Man darf keinen Edeltropfen erwarten?
Na ja, das ist alles subjektiv. Aber was die Qualität der Weine angeht, wollen wir natürlich nicht unseren Weinen im Rheingau Konkurrenz machen. Er wird trotzdem seinen Markt finden, und das auch zu relativ hohen Preisen, da bin ich sicher. Die Flasche wird für 69 Euro angeboten. Dieses Jahr wird vermutlich aber kaum eine Flasche auf den freien Markt kommen, weil allein 555 Flaschen an Kunden gehen, die eine Patenschaft auf einen Rebstock gepachtet haben.


Bei der Preisfindung spielt die Marke Sylt sicherlich auch eine Rolle.
Klar. Ohne den Kultstatus und die höhere Wertschätzung, die das mit sich bringt, wäre die Aktion wirtschaftlich nicht vorstellbar. Ein hoher Preis ist notwendig, weil wir da oben natürlich immense Bewirtschaftungskosten haben.


War Ihnen immer klar, dass Ihr Vorhaben funktioniert und am Ende tatsächlich genießbarer Wein herauskommt?
Es war kein Himmelfahrtskommando, weil wir Gutachter zu Rate gezogen hatten. Das war solide vorbereitet mit Analysen von Boden und Klima.

 

Wie das schmecken wird, das werden Sie aber auch erst demnächst erfahren.
Ja. Aber die Fasane hatten uns letztes Jahr knapp 150 Kilogramm Trauben übrig gelassen, womit wir versuchsweise ein bisschen Wein herstellen konnten. Eine Idee von dem Geschmack haben wir also schon. Ich würde es als Sauvignon-Stil beschreiben, ein leckerer leichter Wein.


Aber ist er 69 Euro wert?
Zur Preisfindung gehören immer zwei. Einer, der sich den Preis vorstellt, und einer, der das Portemonnaie aufmacht und den Preis zahlt. Die Nachfrage bisher zeigt, dass der Wein sein Geld Wert ist."


Die Fragen stellte Andreas Nefzger.

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