16.12.2008

Wiesbadener Kurier - "Der gelernte Traditionalist und "Newcomer" im Weinbau"

Von Cornelia Diergardt

HATTENHEIM Die 70er Jahre waren noch Zeiten. Da­mals, als Stefan Ress "mit vol­ler Kraft" das Weingut und den Weinhandel von seinem Vater Paul übernahm. Ebenso wie der 1982 verstorbene Rüdesheimer Georg Breuer, der nicht nur ein "Pionier des Rheingauer Weinbaus", sondern auch ein Onkel des Hattenheimers war, jettete Ress als 25-Jährigerin die USA. "Das war der erste Wein-Boom. Ich kam retour und ein Container war verkauft."

Deals in Dallas und Denver

Solche Deals in Dallas oder Denver gestalten sich inzwi­schen wesentlich komplizier­ter - in Zeiten der Finanzkrise sowieso. Doch Stefan Ress ist nicht nur viel zu lange im Ge­schäft, um zu wissen, dass "die Klage ist des Kaufmanns Lied"alles andere als verkaufsfördernd klingt. Erstaunlich gelas­sen bleibt er auch angesichts des Banken-Desasters. Als "Grundoptimist" bezeichnet sich der 63-Jährige. Ein Über­zeugungstäter in Sachen Ries­ling ist er auf jeden Fall. Beidesist genetisch bedingt. Schließ­lich verdienten alle seine Vor­fahren ihr Geld mit Trinken, Essen oder Logieren.

Metzgerei war der Anfang

"Eigentlich liegen die Ur­sprünge des Familienunter­nehmens in der Metzgerei",bringt es der Hattenheimer auf den Punkt und erinnert damit an Balthasar Ress, gelernter Metzger und Hotelier, der 1870 das Hotel Ressr heute "Kronenschlösschen", gründe­te. Dessen Enkel Karl wiede­rum erwarb in den 20er Jahren das ".Heimes"-Haus. das Ress´sche Weingut in der Rheinallee. Das Anwesen ver­erbte der kinderlose Karl ("ein kaufmännischer Fuchs") an seinen Neffen Paul, den Vater von Stefan Ress. Doch die Fa­milienbande sind wesentlich komplizierter: Nicht nur weil Winzer Karl keinen Nach­wuchs hinterlässt, dafür ande­re Mitglieder mit sechs oder sieben Kindern gesegnet waren und darüber hinaus verwandt­schaftliche Bindungen zu den schon erwähnten Breuers in Rüdesheim bestehen.

Würde Stefan Ress einen Stammbaum zeichnen, sollte er am besten zugleich die gast­ronomischen Betriebe der Ress-Breuer-Connection mit dazu notieren: Neben Weingut Ress und "Kronenschlösschen", das Pfortenhaus im Kloster Eberbach, Weingut Al­tenkirch in Lorch, die Rüdesheimer Drosselgasse, das ehe­malige Wiesbadener Spitzen­restaurant "Mutter Engel". Nicht zu vergessen die Buslinie zwischen Kloster Eberbach und Hattenheim und der Anle­ger der Köln Düsseldorfer Schifffahrtsgesellschaft, die vor dem Zweiten Weltkrieg beide im Ress'schen Besitz wa­ren und damit ähnlich wie beim heutigen Pauschal-Urlaub für die Gäste den beque­men Hotel-Transfer sicher­stellten. Ob nah verwandt oder um zig Ecken: Stefan Ress kann auf Vorfahren zurückbli­cken, die um die Jahrhundert­wende prägende Anwesen des Rheingaus in gastronomische Vorzeigeobjekte verwandel­ten. "Wir sind alles Newcomer. Wir machen nicht Wein seit dem 16. Jahrhundert."

Beim Gespräch mit Stefan Ress auf ein Glas Wein, neben­bei eine Spätlese 2001 vom Weingut von Hövel an der Saar, geht es viel um Geschich­te. Der Historisch-Interessier­te, zu dessen aktueller Lektüre "Russland im Zangengriff" von Peter Scholl-Latour zählt, be­tont eindringlich: "Wir müssen unsere Wurzeln kennen."

Bevor der gelernte Traditio­nalist für den Weinhandel in Asien, Amerika und Skandina­vien quer um den Globus flog, lagen seine eigenen Wurzeln im überschaubaren Rheingau. Geboren 1945, wenige Wo­chen nach der Kapitulation der Deutschen, verlebte Stefan Ress seine Jugend in Lorch. Aushelfen im Hotel war bereitsfür ihn als Zehnjährigen keine "lästige Pflicht". Stolz stand er am Büffet, lernte den Umgang mit den Bons, sammelte seine "ersten Erfahrungen mit Soll und Haben". Nach dem Abitur 1964 an der Geisenheimer Rheingauschule absolvierte Stefan Ress, dem allein "aus Respekt vor dem Familien-Ei­gentum" eine berufliche Alter­native zum elterlichen Betrieb "nie in den Sinn kam", an der Mosel eine Lehre zum Groß-und Außenhandelskaufmann, Anschließend praktizierte er ein Jahr lang ohne Salär bei dem einstigen Weingroßhänd­ler Calvet in Bordeaux. "Das war für mich eine Ehre und eine prägende Zeit" in den fet­ten Jahren des Weinverkaufs und den flotten von Stefan Ress. "Natürlich habe ich mich damals auch um Freundschaf­ten mit jungen Frauen geküm­mert", wie er es gediegen mit einem Augenzwinkern formu­liert.

 Apropos Frankreich: Das Nachbarland ("Nicht so stan­dardisiert wie Deutschland, viel individueller") ist die zwei­te Heimat von Stefan Ress. Nicht zuletzt lernte er dort ("Es war Liebe auf den ersten Blick") seine Frau Catherine kennen, eine Pariserin, die ihre Kindheit im früheren Saigon in Vietnam verlebte, später Kunst und Psychologie studierte und mit Bilanzen und Bacchanti­schem eher entfernt zu tun hat­te. Die Hochzeitsglocken läu­teten 1972. Sohn Christian kam ein, Tochter Johanna fünf Jahre später auf die Welt.

42 Hektar Weinberge, 15 Festangestellte, zwölf Aushil­fen, den Adler der Vereinigung deutscher Prädikatsweingüter (VDP) seit 1990 auf den Fla­schen: Das sind einige Eckda­ten, die der Betrieb heute auf­weist. Seit vier Jahren ist sein Sohn Christian Miteigentü­mer. In zwei Jahren will der agile Senior, der 2001 wegen des Spenden-Skandals der hes­sischen CDU "mit Pauken undTrompeten" aus- und zwei Jah­re später der FDP beitrat, sich"aus dem Geschäft endgültigzurückziehen". Nach Boom in den 60er Jahren, nach der "Ka­tastrophe 1985", als der öster­reichische Glykol-Skandal sich mit stornierten Aufträgen auch im Rheingau bemerkbar machte, nach der geglückten und "weiter ausbaufähigen" Renaissance des Rieslings. Na­türlich nicht komplett. Dann springt der ehemalige Rheingauer VDP-Präsident, einstiger Schöffe beim Handelsgericht und Präsidiumsmitglied der Wiesbadener Industrie- und Handelskammer beim Reprä­sentieren ein, nimmt ein wenig die "Rolle des Aufsichtsrats­vorsitzenden" ein. Bestimmt ist er dann "endlich öfters im Wingert" und schreibt viel­leicht seine weitverzweigte Fa­milien-Geschichte auf.

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