14.10.2013

Aus Keller und Weinberg Oktober 2013 II

Ich bin erstaunt über so einiges, was es im Netz in Sachen Traubenqualität zu lesen gibt. Manche haben immer noch nicht verstanden, dass eine ehrliche, wenngleich auch kritische, Berichterstattung tausendmal besser ist als Jubelarien, die einem so oder so keiner ernsthaft glaubt. Oder vielleicht doch?

 

Der "Homo Winzerius" hat ein gespaltenes Verhältnis zu bestimmten Realitäten. Anders kann ich mir die eine oder andere Äußerung, im Kontext mit dem tatsächlichen Tun, nicht erklären. Da wird von "alles toll", "kerngesund" geredet und zeitgleich fahren die Maschinen seit einer Woche beinahe schon rund um die Uhr. Es wird geerntet auf Teufel komm raus, egal ob reif, egal ob die Traube schmeckt. Und Doppelsalzentsäurerung kann spätestens seit 2010 eh jeder! Es ist ja nicht so, dass ich das nicht verstehen würde. Im Gegenteil! Überall setzt die Fäulnis ein, dass kostet Menge und wenn ich nicht schlagkräftig bin und selektionieren kann, kostet es eben auch Qualität. Wenn ich allerdings gut aufgestellt und schlagkräftig bin, hätte ich noch eine Woche warten können. Jeder Tag am Stock hilft! Und "kerngesund" gibt es eigentlich nur noch in absoluten Superausnahmefällen. Kerngesund heißt nämlich nullkommanull Fäulnis.

 

Und natürlich verstehe ich auch den, nennen wir es einmal "Zwang", nur über positive Dinge zu berichten, zu twittern und zu facebooken. Ich mache das auch viel lieber. Es ist halt eben auch so, dass ein Jahrgang schnell abgestempelt wird. Wir haben es 2010 erlebt. Der Jahrgang ist stigmatisiert für alle ewige Zeiten und es gibt eigentlich nur noch Verkostungsnotizen, die mit einem "aber" und dem Wort "Ausnahme" beginnen. Zurecht übrigens, denn 2010 ist wie es ist - nix Gutes im Großen und Ganzen. Mit einigen Ausnahmen in der Spitze. Niemand, wirklich niemand wünscht sich ernsthaft so einen Jahrgang noch einmal. So etwas muss man einfach auch einmal akzeptieren und lernen damit umzugehen. Es wäre ja auch anmassend zu glauben, dass ein Naturprodukt Jahr für Jahr Weltklasse sein sollte. Schönreden hilft da wenig bis nichts. Es rüttelt nur an der Glaubwürdigkeit.

 

2013 wird aber nicht wie 2010 und es wird auch keine neues 2006 oder gar 2000. Das waren allesamt die problematischen und sehr schwierigen Jahrgänge. 2013 wird nicht einfach, im Gegenteil. Es wird eine enorm große Herausforderung. Aber im Vergleich gerade zu 2010 sind die Trauben viel reifer, die Weinsäure ist höher und die Aromen sind viel mehr ausgebildet. Natürlich fault es, aber im Vergleich zu 2006 haben wir keinen Essig. Leider ist für heute und morgen noch einmal Regen vorhergesagt. Aber das ist jetzt auch egal.

 

2013 hat, gerade in den steinigen Lagen, immer noch ein enormes Potenzial. Der Rüdesheimer Berg, beispielsweise, sieht fantastisch aus. Natürlich sind die Lagen mit den schweren Böden, gerade nach den neuerlichen heftigen Regenfällen, extrem anfällig. Und wenn ich hier in der Germarkung unterwegs bin, wird das auch enorm deutlich. In den letzten beiden Tagen ist die Situation ganz deutlich gekippt. Jetzt gilt es einfach hochkonzentriert und aufmerksam zu arbeiten und dann werden wir auch da in der Lage sein, sehr gute Wein zu produzieren.

 

Es macht, zumindest für mich, keinen Sinn zwanghaft nur positive Dinge zu berichten. Dafür ist dieser Jahrgang viel zu anspruchsvoll und viel zu schwierig. Gerade ein Blog wie meiner ist dafür da, die Leser miterleben zu lassen, was tatsächlich passiert. Was die Ängste, Sorgen und Nöte sind und wie viel harte Arbeit hinter jeder einzelnen Flasche Wein steckt. Unfiltriert, so wie ich es tatsächlich erlebe und empfinde. Und eben nicht so, wie ich es gerne hätte.

 

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