07.10.2008

Wein Pur - "Flüssige Nahrung für Feste"

Die edle Rebe heißt nicht zufällig mit vollem Namen Rheinriesling. Ihre Herkunft vom Strom der Loreley ist unumstritten. Gegen Ende des Mittelalters verbreitete sie sich in die meisten deutschen Anbaugebiete. Erst im 18. Jahrhundert erkannten staatliche und kirchliche Autoritäten die Qualitäten der spätreifen Traube. Sie gedeiht auf steinigen Steillagen entlang von Flusstälern hervorragend, aber auch in klimatisch begünstigten Gebieten, wie in der Pfalz. Die Mosel wurde zum größten zusammenhängenden Riesling-Anbaugebiet der Welt. Seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gelten deutsche Rieslinge als Weinspezialitäten ersten Ranges, ähnlich französischen Rotweinen, Champagner oder - zumindest damals noch - Ruster Ausbruch.

Rheingau süß und sauer

Die Qualität der Säure macht einen guten Sekt aus. Der hohe natürliche Säureanteil des Rieslings destiniert die Edelrebe zur Versektung. An der Rheingau Riesling-Route liegt die geschichtsträchtige Stadt Lorch. Das dort angesiedelte Weingut Mohr hat bei der Komposition seines 2006er Rheingau Riesling Brut einen 2002er Eiswein, natürlich auch aus Rieslingtrauben, zur Dosage herangezogen. Besitzer Johann Neher hat vor 20 Jahren, noch als Student, seinen ersten Rieslingsekt gekeltert. Bereits 1990 wusste er damit den Bundespräsidenten zu beeindrucken. Seit damals bestellt das auswärtige Amt den Riesling aus dem Rheingau, um ihn bei Staatsbesuchen als Präsent mitzubringen. Er hofft nun, seine Mitbürger spätestens mit dem "Lorcher Bodental-Steinberg" Brut, Jahrgang 2007, von der Qualität seines Rieslingsektes zu überzeugen: ,,Die Deutschen benötigen die Bestätigung durch das Ausland. Dann kommen sie auch selber auf den Geschmack."

Die Deutschen lassen die Korken knallen

Überschäumend große Freude über die Wiedervereinigung bescherte den Deutschen ein Sekthoch in den 90er-jahren. Das Millennium wurde nicht annähernd so gefeiert. Im Gegenteil, die Jahrtausendwende brachte ein wenig prickelndes Tief im Absatz perlender Weine. Aber seit wenigen Jahren steigt der Sektkonsum der Deutschen ständig. Deutschland ist zurzeit der mit Abstand größte Schaumweinmarkt der Welt. Global knallt es zwei Milliarden Mal pro Jahr, zwischen Rheinfall und Ostsee fahren jährlich 450 Millionen Sektkorken aus den Flaschen. Damit wird ein Viertel des Welt-Schaumwein-Konsums in Deutschland getrunken. Vier Betriebe teilen sich 85 % der deutschen Sektproduktion. Ein kleiner Teil der verbleibenden 15 % sind Winzersekte aus Rieslingtrauben. Dennoch hat uns gerade diese Sorte, die wir mit deutschem Wein assoziieren, brennend interessiert.

Handarbeit im Steilhang und am Rüttelpult

Gelöscht wurde unser Wissensdurst unter anderem mit einem 2005er Riesling Brut vom Saarländer Weingut von Othegraven. Ob wir die Handarbeit herausschmecken? In "einer monumentalen Steilwand mit perfekter Süd-Süd-Ost-Ausrichtung" am Kanzemer Altenberg kann man gar nicht anders arbeiten. Schwindelfreiheit ist Voraussetzung, um in solchen Weinbergen zu arbeiten. Das Weingut ist eines der Gründungsmitglieder des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter, VDP. Sekte werden dort in der Flasche vergoren, von Hand gerüttelt und degorgiert. Das Motto am Traditionsweingut lautet: "Lieber weniger Sekt machen, dafür mehr für den Sekt machen. "Erst wenn ein Jahrgang Sekt komplett verkauft ist, wird ein Neuer produziert.

Ein Engel in der ältesten Stadt

Wo sollten wir einen Engel suchen, wenn nicht in Bischöflichen Weingütern? Unserer arbeitet in Trier und schwärmt ganz irdisch vom dortigen Terroir. Es verleihe dem 2006er Dom Scharzhofberger Brut ebenso wie dem 2006er Dom Scharzhofberger Extra Brut eine "eigenwillige Säurestruktur". Engel singt von "patriotischen Weintrinkern" und von einer "erkennbaren Rückbesinnung auf Qualität", die "mit Sicherheit den Eigenschaften der Rieslingtraube zu verdanken ist".

Das Augenmaß des 1919 dem Ersten Weltkrieg folgenden Vertrages hatte Auswirkungen, über die in einem Weinmagazin zum Glück nicht diskutiert werden muss. Mit einer Ausnahme: Seit dem Vertrag von Versailles müssen deutsche Schaumweinproduzenten auf die Bezeichnung Champagner verzichten. Dem Volksmund kann derlei nicht oktroyiert werden. Er nennt noch heute den Rieslingsekt vom Schloss Proschwitz den "sächsischen Champagner". Das im Besitz des Prinzen zur Lippe stehende Weingut liegt in Zade über Meißen nahe Dresden und bewirtschaftet 80 Hektar ausschließlich in Sachsen. Mit traditioneller Flaschengärung wird die Einzellage ,,Schloss Proschwitz" perlend ausgebaut. In der gehobenen Gastronomie erfreut sich diese Kreszenz größter Beliebtheit. Das Gut begann 1996 mit einer Produktion von 3. 000 Flaschen. Heute wird spielend der zehnfache Ausstoß vermarktet.

Relative Mehrheit an der Mosel

Bei unserer Verkostung waren drei Gläser der Plafond. Eine signifikante Häufung dieser relativ höchsten Bewertung ist bei Rieslingsekten von der Mosel zu beobachten. Wir erinnern uns noch bestens an die Riesenverkostung der Moselweine, wo wir eine bislang selten erreichte Dichte an den so selten vergebenen fünf Gläsern erkosten durften. Von den fünf "Dreigläsersekten" kamen drei von der Mosel. Dass die Deutschen endlich zu patriotischen Weingenießern mutieren, ist sehr zu begrüßen. Lesen Sie dazu das Interview, welches unser Chefredakteur Magrutsch mit der Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts. Monika Reule, geführt hat Sie finden es in Ausgabe IV/2008 von GENUSS.wein.pur und auch auf unserer website www.weinpur.at. Kombinieren wir diese, vor allem für die deutsche Weinwirtschaft erfreuliche Entwicklung mit der Tatsache, dass Deutschland der größte nationale Schaumweinmarkt der Welt ist, geben uns die Ergebnisse der Verkostung zu denken. Als grundsätzlich positiv schreibende Journalisten meinen wir: Das gibt Potenzial nach oben.

Wir hätten uns viel mehr erwartet

Als glühender Verfechter deutscher Weine ist man in Österreich recht einsam. Unsere Rieslingsekt-Verkostung konnte das Einsamkeitsgefühl leider nicht lindern. Seit wir für GENUSS,wein.pur arbeiten, schreiben wir besonders gerne über deutsche Weine. Wir lieben die Täler der Mosel, der Nahe, der Saar und des Rheins. In fränkischen Fachwerkhäusern untergebrachte Weingüter haben uns genauso begeistert, wie Württembergische Burgen, in denen Lemberger reift, rheinhessische Trulli und der Kaiserstuhl. Deshalb "reißen" wir uns regelrecht um Deutschland-Themen für wein.pur. Also auch um diese Geschichte über deutschen Rieslingsekt. Ein Weinland, dessen Rieslinge mit den österreichischen mithalten, ja diesen sogar voraus sein können - wie die "Revanche für Cordoba" auf der VieVinum anno 2004 gezeigt hat -, muss doch die besten Rieslingsekte anbieten. Oder?

Die Macht des Vorurteils

So ist es eben, wenn man mit Stereotypen an eine Sache herangeht. Sind diese so positiv, wie unser Vorurteil den deutschen Wein betreffend, ist die Gefahr einer Enttäuschung gegeben. Dass wir bislang - trotz wachsender Zuneigung zum deutschen Wein - nie von demselben enttäuscht wurden, lag an unglaublich guten Rieslingen von der Mosel, überraschend feinen Sylvanern aus Franken, beerigem Schwarzriesling aus Württemberg und straffen Weißen aus Rheinhessen. Vielleicht hätten wir auch nicht den "Fehler" machen sollen, die deutschen Rieslingsekte - nach einer angemessenen Pause - im Anschluss an die Trento-DO.C.'s (diese Geschichte folgt in wein. pur I /2009) zu verkosten. An der von uns gewählten Kostreihenfolge ist abzulesen, welchen Schaumweinen wir mehr Potenzial zugemessen hatten.

Deutsche Wertarbeit - auch in der Vorbereitung

Zu einer kritischen Betrachtung gehört es, die Leser im Detail über die Entstehungsgeschichte einer Verkostung zu informieren. Die Auswahl der angestellten Sekte wurde nicht von uns getroffen. Wir hatten hierbei tatkräftige Unterstützung seitens des Deutschen Wein Institutes und des VDP, für die wir ganz herzlich danken. Die Organisation oblag auf unserer Seite Annika Peiser, die angehende Önologin stammt aus Hamburg. Verkostet wurde von Weinnasen, denen man weinmäßige Germanophilie nachsagen kann. Unsere Kritik liegt also keineswegs in der Tradition des häufig satirischen Hickhacks zwischen zwei Nachbarländern, deren Schicksal auf viele Weise eng miteinander verknüpft ist.

Bewertungen: ... zwei Gläser:

Balthasar Ress, Rheingau
2001 Rheingau Sekt
„Von Unserm“ Brut

Eibisch; wirkt sehr süß. Am Gaumen dann straffer und saftig, Eukalyptus,
After Eight. Gute Länge, nicht mehr topfrisch aber gut erhalten, charaktervoll mit endlichter Harmonie.

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