01.09.2009

Vinum, Nr.9/2009, Gut gegen Nordwind

Auch in Zeiten der Rezession bewegt sich was in Deutschland - und zwar Rebstöcke. Unser Norden wird flächendeckend bepflanzt. Mit zehn Hektar fängt es jetzt ganz harmlos an, doch dabei wird es nicht bleiben. Blühende Landschaften erwarten uns! Das Stargarder Land in Mecklenburg-Vorpommern darf sich zum Beispiel seit 2004 als Tafelweingebiet bezeichnen - mit seinen rund vier Hektar ist es die nördlichste Tafelweinregion Deutschlands. Dort wurden so spannende Rebsorten wie Phoenix, Huxelrebe und Ortega gepflanzt... Schleswig-Holstein ist jetzt selbstredend auch Weinbauregion - nachdem Rheinland-Pfalz die Pflanzrechte für zehn Hektar abgetreten hat. Unter anderem auf den Nordsee-Inseln Sylt, Föhr und Nordstrand sollen Reben angepflanzt werden. Wo auch sonst? Wenn die Klimaerwärmung fortschreitet und das Meer die Inseln bedeckt, könnten die wenigen erzeugten Jahrgänge unter Sammlern horrende Preise erbringen. Also: jetzt einsteigen!

Traditionelle Nordweine

In renommierten deutschen Anbaugebieten fallen Spitzenlagen brach, und an der See werden die Dünen bestockt. Doch bis wir etwas davon trinken können, dauert es noch. Um mich dem Kommenden geschmacklich zu nähern, habe ich für diese Kolumne Nordweine aus meinem Keller geöffnet. Aus einer traditionellen Region. Ja, das ist kein Widerspruch. Zisterzienser brachten den Weinbau an die Havel (in der Nähe von Potsdam). Ende des 16. Jahrhunderts soll dieser Fluss gar so von Weinbergen umgeben gewesen sein wie die Mosel. Auf dem Werderaner Wachtelberg stehen heute rund sieben Hektar, und er ist die nördlichste eingetragene Lage für Qualitätsweinbau in Europa.
Ich besass noch zwei 2005er Weine von dort, einen Müller-Thurgau und einen Saphira. Beide trocken. Was soll ich sagen? Der Müller-Thurgau roch nach Leipziger Allerlei (aber das mag ich mir auch eingebildet haben) und der Saphira nach Persipan (sprich: Marzipanersatz): R.I.P.! In der Jugend hatte ich die beiden Weine schon mal getrunken und sie als ganz ordentlich eingestuft. Aber es zeigt sich: Nordweine soll man nicht lagern!

Nahe dem Pol

Einen Abend mit einem schlechten Weingeschmack im Mund zu beschliessen, widerstrebt mir zutiefst, und so begab ich mich abermals in meinen Keller, um weitere Nordweine zu finden. Und wurde fündig. Ein seltener 2004er Chardonnay vom Ahr-Spitzenweingut Deutzerhof. Früher hiess es über das pittoreske Anbaugebiet bei Bonn, so nah am Nordpol könne kein ordentlicher Wein erzeugt werden. Und heute? Da zählen die Ahr-Spätburgunder zu den besten des Landes. Und wie der Chardonnay mich so beglückt, kommen mir auch ein paar schöne Gedanken zum Nordwein: Schleswig-Holstein bekommt endlich eine Weinkönigin! Sie wird sicher etwas zu den Vorteilen der Nordweine beim Essen zu erzählen wissen. Wie die stürmische Meerbrise ihnen eine salzige Note verleiht, die bei einer Weinsuppe jedes Nachwürzen überflüssig macht. Enorm praktisch!
Ich stand an diesem Abend noch ein wenig im Garten und genoss den famosen Deutzerhof-Wein. Und ich wusste: Beim nächsten Wein wird alles anders... und der fiese Nordwind dreht dann auch.

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